Sonntag, 27. September 2015

Bischof Kräutler zur Enzyklika „Laudato Si“

Luxemburger Wort, 26. September 2015
SchöpfungsZeit 2015 – Leben wie (wir) im Paradies?
Das Paradies ist größer als Europa
Wenn der Einsatz für die Schöpfung zum Einsatz gegen Bevormundung und Exklusivität führt

Ein sehr aktuelles Beispiel, wie die einen sich ein Paradies auf den Schultern der anderen zurechtregeln möchten, sind die Verhandlungen im Rahmen des Freihandelsabkommens TTIP zwischen den USA und der EU. Beide versprechen sich viel von diesem Wirtschaftsabkommen. Letzteres wird letztlich die 800 Millionen reichsten Konsumenten in einer gemeinsamen Freihandelszone zusammenführen.

Verlieren werden die Ärmsten: Wo es Gewinner gibt, muss man die Verlierer nicht lange suchen. In diesem Fall sind es vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer. Da die Zölle im Warenaustausch zwischen den USA und der EU sinken werden, bedeutet dies, dass die Produkte aus anderen Staaten teuerer würden. Um mithalten zu können, werden die Arbeitsbedingungen in diesen Ländern dann noch schwieriger.

Unsere Haltung in dieser Frage ist entscheidend, denn die Leidtragenden sitzen nicht am Verhandlungstisch.

Man kann sich natürlich fragen, was diese Fragen mit der Bewahrung der Schöpfung zu tun haben. Wir können nicht scheinheilig über die Bewahrung eines Natur-Idylls nach unseren Wünschen sprechen, ohne über die soziale Verantwortung für andere Generationen und Menschen in anderen Ländern nachzudenken.

Papst Franziskus schreibt in seiner Enzyklika „Laudato Si“, dass wir „die Klage der Armen ebenso hören [müssen] wie die Klage der Erde.“ Diese Haltung des „einen nicht ohne das andere“ zieht sich als Ansatz durch die gesamte Enzyklika.

Rechte indigener Völker stärken

Einen ganz praktischen und sehr politischen Vorschlag macht die diözesane Stiftung „Bridderlech Deelen“ (im Verbund mit anderen). Sie investiert seit Jahren kreativ und erfolgreich in bessere Bildung und somit bessere Überlebenschancen für Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Bereits 1989 beschloss die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) die Konvention Nr. 169 zum Schutz indigener Völker. Luxemburg, dessen Parlament einstimmig dieser Konvention zugestimmt hat, hat sie bisher noch nicht ratifiziert. Dabei spielt diese Konvention eine Schlüsselrolle beim weltweiten Schutz der Wälder, der Artenvielfalt und des Klimas, denn sie gewährleistet, dass jene Menschen die Kontrolle über ihr Land und ihre Wälder behalten, die diese seit Generationen durch nachhaltige Bewirtschaftung erhalten haben.

Die Ratifizierung dieser Konvention wäre ein längst nötiger Schritt, im Sinne des Themas der SchöpfungsZeit: Paradies zu teilen bzw. Paradies zu ermöglichen.

Das Leitmotiv ist Mitwelt

In einem kürzlich mit Bischof Erwin Kräutler (Brasilien) geführten Interview zu „Laudato Si“ sagte dieser, dass Franziskus in der Enzyklika eine Gegenüberstellung von Ich und Natur vermeiden wolle, weil auf diese Weise die Natur allzu leicht zum Gegenstand, zu einer Sache gemacht werden kann, über die bestimmte Menschen und Unternehmen bestimmen. Ihm gehe es um das untrennbare Miteinander von Natur und Menschen, um die Mitgeschöpflichkeit aller. Kurz gesagt: Das Leitmotiv ist nicht Umwelt, sondern Mitwelt.